20 „Wir befähigen die Menschen, Dinge wieder selbst zu tun“ chen und versuchen sie zu befähigen, Dinge wieder selbst zu tun“, erklärt Edin Begić. Das klappt nicht immer, aber in erstaunlich vielen Fällen. „Für uns ist es auch ein zentraler Punkt, Angehörige weiterzubilden. Wir schauen, welche Nachbarn eventuell unterstützen können, wir versuchen die Leute im Quartier zu mobi- lisieren“, ergänzt Michél Hömke, auch hier wieder ganz Pragmatiker: „Anders wird unsere Gesellschaft die Versorgung älterer Menschen auf Dauer nicht leisten können. Wir haben jetzt schon massive Personaleng- pässe, in Zukunft wird sich das verstärken.“ POSITIVE BEISPIELE GEBEN RÜCKENWIND Positive Beispiele, die zeigen, dass der ambulante Dienst auf dem richtigen Weg ist, gibt es mittlerweile zuhauf. Etwa das der älteren Dame, die nach einem Sturz in ihrer Bewegung extrem verunsichert war. „Sie war nach einem Schlaganfall total durcheinander und nicht mehr mobil“, erinnert sich Edin Begić, „ich hätte sie damals auf Pflegestufe 3 eingeschätzt.“ Durch gezielte Übun- gen, mit viel Zeit und Vertrauensaufbau gelang es den Mitarbeitenden, der Frau wieder sehr viel Selbstbe- wusstsein zurückzugeben. „Wir kommen immer noch jeden Abend bei ihr vorbei, weil sie das als Sicherheit braucht, aber sie ist schon extrem viel selbstständiger geworden und wurde jetzt in Pflegestufe 1 eingestuft.“ Ein echter Erfolg für das Team. VERÄNDERUNGEN NACH HOLLÄNDISCHEM VORBILD Die Idee einer solchen Pflegearbeit ist nicht neu, in den Niederlanden wird sie mit dem Buurtzorg-Modell be- reits seit einigen Jahren umgesetzt (siehe rechts). Ein Problem ist die Finanzierung des Modells. Nadine Treff, die in der Hauptverwaltung der Samariterstiftung im Referat Altenhilfe für die ambulanten Dienste zuständig ist, hofft auf die Verhandlungen mit den Pflegekassen. „Wir sind dran, die Leistungsvergütung mit den Kassen auszuhandeln. Wir haben zahlreiche Fallbeispiele, an- hand derer wir zeigen können, wie wirksam unsere Arbeit ist. Beispiele von Menschen, die wir aus der Betreuung wieder entlassen konnten. Wir müssen jetzt den Kassen klarmachen, dass wir gute Pflege leisten“, so Nadine Treff, „derzeit ist unsere Arbeitsweise tat- sächlich ein Investment in die Zukunft. Wir wollen zeigen, dass Pflege einen Paradigmenwechsel braucht.“ SELBSTSTÄNDIGES ARBEITEN IM TEAM Ein weiteres Novum, das ebenfalls aus dem Buurt- zorg-Modell stammt, bezieht sich auf die Arbeit im Team: In dem System ist keine Hierarchie vorgesehen. Das Team regelt seinen Arbeitsalltag selbstständig. Die Mitarbeitenden organisieren die Pflege und Betreuung selbst, machen die Tour- und Dienstpläne. Die Pflege- fachkraft Edin Begić ist von dem Modell überzeugt: „Aus meiner Sicht ist das optimal, denn wenn eine Pflege- dienstleitung vom Büro aus die Tourplanung macht, kann sie gar nicht einschätzen, wie viel Zeit wir bei den jeweiligen Personen verbringen.“ Das Ganze setzt auf Eigenverantwortung und Mitbe- stimmung. „Neben der Pflege gibt es auch Büro- und Organisationsarbeit, die geteilt wird“, sagt Edin Begić. Für einen zweiten Standort in Stuttgart, der ab Sep- tember eröffnet wird, sucht das Team übrigens noch dringend Verstärkung. „Wer Lust hat, Dinge zu gestal- ten und Entscheidungen mit zu treffen, der ist bei uns genau richtig. Wenn die Leute passen und da Lust drauf haben, ist das ein hervorragendes Arbeitsumfeld.“ ■ Beim Ehepaar Kolm ist das Team rund um Edin Begic ein Mal pro Woche.