7 zu gaSt den Menschen über den ganzen Bogen des Lebens im Blick zu behalten und zu begleiten: Familienhebam- men sorgen bereits in der Schwangerschaft für einen guten Start ins Leben. Im Kindergarten ist es wichtig, viel zu singen, zu tanzen, Freude am Körper und am Miteinander zu vermitteln. Für unsere Bildung werden also schon vor dem ersten Schultag die Weichen ent- scheidend gestellt. kunft. Bildung, eine gesunde Erde und gesunde Men- schen gehören für mich zur „Daseinsvorsorge“ – genau dafür zahlen wir Steuern. So wie Polizei, Feuerwehr und Verwaltung staatliche Leistungen sind, die nicht „vom Markt“ geregelt werden, so sollte man auch bei der Gesundheit nicht alles nach Ökonomie optimieren, denn das rächt sich. welche folgen hat diese fehleinschätzung für die gesellschaft? evH: Obwohl wir wissen, dass jeder Euro, den wir in frühkindliche Bildung investieren, 25-fach in die Ge- sellschaft zurückkommt, wird diese Förderung noch immer unter „Almosen“ verbucht. Aber diese Kinder machen deswegen die Schule zu Ende, nehmen Berufe auf, zahlen Steuern statt Sozialhilfe zu bekommen. Das sind keine Almosen, sondern Bildung ist die wichtigste Investition in die Zukunft. Nicht nur für einzelne Men- schen, sondern am Ende für uns als Gesellschaft. und woran macht man gesundheit fest? evH: Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit ist Lebensfreude. Wie gehe ich mit mir, mit meiner Seele, meinem Körper um? Mit diesen Fragen kann man auch nicht zu früh beginnen und trotzdem beschäftigen sich die meisten mit ihrer Gesundheit erst ab 50. Dabei ist immer noch der beste Trick sein Leben zu verlängern, alles wegzulassen, was es verkürzt. In meinem aktuellen Bühnenprogramm Endlich! bringe ich es ganz einfach auf den Punkt: Es gibt keine Tablette, keine Operation und erst recht keine Creme, die uns besser schützen, als fünf ganz einfache Dinge des Alltags: nicht rauchen, bewegen, Gemüse essen, erwachsen werden und Kind bleiben. Und wen die Langfassung interessiert: Sie sind herz- lich eingeladen, in mein Programm zu kommen, sobald wieder Veranstaltungen stattfinden! wieviel Bildung soll / muss jeder haben und wer zahlt dafür und wieviel gesundheit soll jeder haben und wer bezahlt wann? evH: In der Corona-Krise heisst es, dass uns Men- schenleben wichtiger sind als Geld. Meine stille Hoff- nung: Wenn Politiker auf Virologen hören können und Wissenschaft ernstnehmen für konkrete Maßnahmen, warum dann nicht auch auf Klimawissenschaftler und Bildungsforscher? Klar kostet Bildung was. Und auch die Umrüstung auf 100% erneuerbare Energien. Aber langfristig sind das die besten Investitionen in die Zu- Macht Armut dumm? Macht Mangel an Bildung krank? evH: Leider gibt es in vielen Köpfen eine verdrehte Wahrnehmung. Man sagt schnell „Ja, die rauchen ja auch, sind übergewichtig, selbst schuld“, aber das ist wissenschaftlich Unsinn. Mindestens die Hälfte dieser Faktoren sind Umweltfaktoren. Zum Beispiel: Wohne ich an einer dicht befahrenen Straße, atme ich ständig Dinge ein, die mir nicht guttun. Habe ich Lärm, der mein Hirn ständig stresst, auch im Schlaf, habe ich Grünflä- chen, habe ich Erholungsmöglichkeiten in der Nähe? Bildung ist also auch immer eine Frage des sozialen Sta- tus. Alleine ein Gefühl wie existenzielle Verunsicherung, sei es wegen Geld, sei es wegen Krankheit, sei es wegen Arbeitsunfähigkeit, sei es, weil jemand aus der Wohnung raus muss, all das bindet Kraft und man kann sich um sonst nichts kümmern. Wo lässt sich was zum positiven verändern? evH: Erstmal verbindet niemand mit der Klimakrise etwas Positives, aber ich empfinde die momentane Umweltbewegung als ein schönes Beispiel für Umwelt- bildung oder überhaupt Verantwortungs-Bildung. Wir erleben gerade Jugendliche, die sich erwachsener verhal- ten als Erwachsene. Eines meiner Lieblings-Plakate von „Fridays for Future“ heißt: „Why get an education, when no one listens to the educated?“ Also warum brauche ich Bildung? Warum darf ich nicht die Schule schwänzen, wenn nachher keiner auf die schlauen Leute hört? Wir erleben gerade, dass eine ganze Generation von Schü- lern und jungen Erwachsenen frustriert ist von dieser Demokratie, weil Wissenschaft ignoriert wird. Und deswegen ist es sozusagen das übergeordnete Anliegen von mir, klar zu sagen: Bildung ist nicht irgendwie nur nett für die Karriere, sondern Bildung ist das Fundament unserer Demokratie, das Fundament von politischen Entscheidungen. Und wenn Politiker heute mit einem lapidaren Politiker-Satz Erkenntnisse wegwischen wol- len, dann brauchen wir einen Aufschrei, der sagt: Nein! Fakten sind Fakten. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Und dafür ist die Grundlage, erstmal zu wissen, wie Wissen und Bildung überhaupt erst entstehen. ■ SamariterS tif tung maga zin · 17/2020